Wie Salim ins Waisenhaus kam

Im Waisenhaus der Kenia Kinder Hilfe in Kenia ist noch Platz für einen Waisenjungen.

Bedingung: Vollwaise unter sieben Jahre und aus ärmsten Verhältnissen.

Doch dieses Mal wollte nichts klappen.

Lutz, erster Vorsitzender der Kenia Kinder Hilfe e.V. von Deutschland, sowie auch von Kenia ist nun schon seit fast fünf Wochen vor Ort. Der Aerea Chief, Sub Chief, Rektoren, Lehrer und auch die Dorfältesten, alle sollten informiert sein. Doch ohne Strom gibt es weder Telefon noch Computer, sondern nur den Buschfunk, das heißt einer erzählt es weiter an den nächsten……..

Die Informationen jedoch kamen nicht oder nur zur Hälfte an. Ein Mitglied machte Probleme, wirbelte die anderen auf. Da hieß erst mal Wogen glätten. Dann kam der Sub Chief und hatte plötzlich ein Kind, dessen Onkel sah aus wie ein Beachboy, behängt mit Goldkette und Handy, wohlgenährt. Jedoch das Kind war mindestens 10 Jahre alt und sah ärmlich aus, wollte uns weiß machen, dass es nur groß gewachsen ist. Nein, so nicht. Onkel, Kind und Sub Chief zogen beleidigt davon. Wir haben leider unsere Regeln.
Bedingungen nochmals: Unter 7 Jahren, Vollwaise und aus ärmsten Verhältnissen. Keine Eltern mehr.

Am nächsten Tag fahren wir wieder die 50 Km bis nach Langobaya. Einfache Fahrzeit 2 Stunden auf den schlechten Straßen. Von dort aus ist geplant Richtung Chakama weitere 20 Km tiefer in den Busch zu fahren. Dort wäre ein Kind.

Bei der Ankunft in Langobaya steht eine Frau mit einem ca. 7 Jahre alten Jungen, ist er vielleicht schon da? Können wir uns die weitere Fahrt sparen?
Fehlanzeige: Die Frau ist die Mutter des Jungen und meint sie sei in Not und wir könnten doch mal eine Weile für ihn sorgen. Sie würde ihn dann wieder abholen. Wer hat ihr denn den Floh ins Ohr gesetzt. „ Der Sub Chief“? Nun langt’s: Wieder lange Gesichter, wir werden angebettelt, sollen doch nicht so hart sein, sollten Verständnis haben. Doch wo ist da dann noch Gerechtigkeit? Wir müssen hart bleiben.

Also wir müssen doch noch die weitere Fahrt Richtung Chakama auf uns nehmen. 20 Km in eine sehr trostlose Gegend. Irgendwann wird die Straße unpassierbar und wir müssen zu Fuß weiter. Es ist nur noch heiß, als wir das Auto verließen waren es 42 °, Mittagszeit und volle Sonne. Trotz Schuhe, verbrennt Peris (unsere Sekretärin) sich die Füße.
Der Dorfälteste war zwar da, doch über nichts informiert worden. Not ist da, bestimmt auch ein Kind, doch so von eben auf jetzt, schwierig. Er verspricht sich zu kümmern und hat die richtigen Informationen. Wir fahren erstmal wieder ohne Erfolg wieder zurück.

Von jetzt an werden die Chiefs ausgeschaltet. Die machen nichts oder verdrehen alles oder Vetternwirtschaft?

Zwei Tage später wieder den ganzen Weg raus nach Langobaya. Der Dorfälteste von Kombeni erwartet uns. Kam extra mit dem Fahrrad die ganze Strecke und wartete bereits auf uns. In Timboni, da ist ein Junge, aber er hat die Großeltern noch nicht erreicht und er käme aus sehr armen Verhältnissen.

Wir fahren weiter ca. 15 Km auf sehr unwegsamen Straßen. Halten bei einer Schule, wo der Junge in den Kindergarten geht. Nun geht’s wieder zu Fuß weiter, alle sind froh, dass es heute nicht so heiß, sondern nur 39° beim Verlassen des Autos sind. Ich bin das erste Mal dabei. Nach 10 Minuten Fußmarsch treffen wir auf ein halbzerfallenes Anwesen. Ein paar Männer, sie trinken zur Mittagszeit bereits Mnasi (Palmwein) und sehen entsprechend betrunken aus.

Der Junge sitzt da stochert in einer Art Mittagessen rum. Ganze Maiskörner und Bohnen, in einer braunen wässrigen Brühe. Einen aufgedunsenen Bauch mangels richtiger Ernährung hat er. Das Ausfragen beginnt. Er lebt nur dort, weil es sonst für ihn zu weit zur Schule ist. Dafür muss er nachmittags auf die Ziegen aufpassen.

Seine Großeltern leben weiter weg. Wie weit? Mit Auto keine Möglichkeit. Kann man es zu Fuß erreichen? Ja, aber es wäre ein Stück zu laufen Er könnte uns den Weg zeigen. Also machen wir uns auf den Weg. Nach einer ¾ Stunde treffen wir auf ein sehr armseliges Anwesen. Die Urgroßmutter des Jungen ist zu Hause. Wir sitzen auf einer Matte unter einem Baum der etwas Schatten spendet. Stuhl gibt es keinen. Ich darf rum gehen und auch Bilder machen. Doch als ich die Kamera auf die Urgroßmutter richte wird sie heftig, als wir ihr versprechen, dass sie davon ein Bild bekommt ist sie einverstanden.

Wie kann man dort nur überleben? Wo bekommen die das lebensnotwendige Wasser her? Ein Bett sehe ich, doch hier leben 3 Personen, aus unterschiedlichen Generationen. Beim Vorratshaus gibt es gar kein Dach, über dem Kochhaus hat es viele Löcher. Über dem Bett sieht das Dach ganz gut aus, doch wehe wenn Wind weht, dann ist auch das Bett nass, wenn es mal regnet, denn Wände gibt es so gut wie gar nicht. Eine kleine Maisernte ist zu sehen. Ein kleiner Hund liegt in einer Ecke, entweder Hochschwanger oder vor Hunger aufgedunsen, eine Ente hat es sich in der Küche gemütlich gemacht und schnattert mir entgegen. Mais ist momentan genug da, wenn der alle ist wandert auch sie in den Kochtopf.

Ihre Enkelin die Mutter des Jungen ist vor einem Jahr gestorben. Vater gab es keinen. Der Großvater des Jungen, ihr Sohn ist nicht da, der wäre in Kombeni, dort würde heute Essen verteilt, dort könnten wir ihn antreffen. Sie hätte nichts dagegen wenn wir den Jungen mitnähmen. Doch der muss entscheiden. Die Frau, bei der Salim, so heißt der Junge wohnt, meint wir sollten den Jungen mitnehmen und sehen, dass wir den Großvater finden. Salim weiß mittlerweile worum es geht und freut sich. Grad noch, dass er sich von seiner Urgroßmutter verabschiedet und schon rennt er los. Wir müssen ihn bremsen, ohne ihn finden wir nicht zurück. Es ist nur heiß. Ich glühe wie eine reife Tomate, schwitzen kann ich nicht mehr, die Haut ist sofort trocken. Nach einer ¾ Stunde erreichen wir wieder den Platz wo der Junge leben und Ziegen hüten durfte, jetzt sind noch mehr Mnasi trinkende Männer da. Unsere Anwesenheit hat sich rumgesprochen. Mir ist alles egal, ich lass mich auf einen Autoreifen der da liegt plumpsen und versuche zu verschnaufen. Warum habe ich nur meine Wasserflasche im Auto liegen lassen? Wasser, was es hier vielleicht gibt kann ich auf keinen Fall trinken. Also Kopf hoch und weiter, nach 10 Minuten erreichen wir endlich das Auto. Wasser. Allen anderen hat der Marsch nicht so viel ausgemacht, zu meiner Verwunderung. Komme mir vor wie eine Mimose.

Dank des Dorfältesten finden wir nach ein einigen Kilometern die Schule, wo sehr viele Leute versammelt sind und auf ihre Maisration von der Welthungerhilfe warten. Ich nehme die Kamera nicht hoch und mache auch keine Bilder. Frage mich allerdings wie lange die Menschen hier schon warten und wie lange sie noch warten müssen? Seit vier Jahren hat es nicht genug geregnet. Hoffentlich kommt die nächste Regenzeit mit genug und nicht zu viel Regen, dass diese Region sich wieder selbst ernähren kann.

Salim hat seinen Großvater gesehen und kommt gleich mit ihm an. Etwas Abseits sitzen wir auf einer Schulbank, dem Großvater wird alles erklärt und ohne Probleme stimmt er zu. Das Formular wird ausgefüllt er unterschreibt mit einem Daumendruck vom Stempelkissen. Ganz höflich mit einem fröhlichen Lächeln verabschieden sich die zwei voneinander und der Großvater verspricht, dass er ihn besuchen kommt. Salim springt strahlend ins Auto und beim Abfahren wird feste gewunken.
Wir haben ein weiteres Kind mit aller Verantwortung.

Ankunft im Waisenhaus: Das erste Mal merkt man, dass Salim scheut. Er sucht unsere Nähe, er sitzt auf einer Treppenstufe und rührt sich nicht. Schaut mit großen Augen. Es sind nur ein oder zwei Kinder da. Ein paar sind zum Spielen, die Kleinsten schlafen, die Großen sind noch in der Schule. Pola bringt ihm ein Glas Wasser, gierig leert er es. Auch ein großer Teller Mittagessen wird ohne Probleme mit zwei Tassen Tee verputzt. Mit dem Teller Wasser zum Händewaschen kann er nichts anfangen. Der Bauch ist wohl zum ersten Mal seit langem richtig voll. So nach und nach treffen die Kinder ein. Ordentliches Händeschütteln und vorstellen. Nach einer weiteren Viertelstunde ist Salim verschwunden. Mitten drinnen aufgenommen im Kreise seiner neuen Familie finden wir ihn wieder.

Mama Aska wird auch ihn aufnehmen, einweisen in die Regeln der Großfamilie des Waisenhauses der Kenia Kinder Hilfe in Langobaya.

Teilgenommen an der ganzen Aktion haben mehrfach:
Der Rektor Mr.H.Kadzeha Kassierer Kenia Kinder Hilfe (Kenia)
Lehrerin Peris Dama Sekretärin der Kenia Kinder Hilfe (Kenia)
Manfred Strupp aus Deutschland
Lutz Krücke Vorsitzender KKH Deutschland & Kenia
Mathilde Krücke Mitglied KKH Deutschland
Dorfältester von Kombeni
Langobaya/ Kenia März 2007